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»Ich esse es ja, aber nicht unter falschem Namen«, lässt Loriot Herrn Lohse sagen als ihm eine Birne Helene serviert wird und charakterisiert damit ein weit verbreitetes Phänomen der persönlichen Eigenheiten beim Essen (https://www.youtube.com/watch?v=DCEsk-aRYBU). In eine ähnliche Rubrik fällt die Frage wie viele Minuten ein Ei gekocht werden muss, reichen viereinhalb Minuten oder sind die schon zu lange? Verlässt man sich hier nur auf das Gefühl so kann das – erneut Loriot – zwischen Ehepartnern durchaus auch mal tödlich enden (https://www.youtube.com/watch?v=RSedWsrRkbY).

Mit etwas mehr Ernst betrachtet ist das Thema Ernährung durchaus »essen-ziell«. Nach der kardiorespiratorischen Adaptation geht es nach der Geburt vor allem darum, dass das Stillen und damit der Nahrungsaufbau gelingt. Muttermilch als organisch gewordenes »flüssiges Weißgold« stellt den Idealzustand da, an dem das Kind lernt, substanzielle Außenwelt aufzunehmen, zu verstoffwechseln und zu verleiblichen (beginnendes Embodiment auf Laktationsebene). Im Verlauf reift der Verdauungstrakt heran von der Zahn,– der Salzsäure–, Enzymbildung, der Differenzierung des Mikrobioms bis zur Fähigkeit, Stuhl zurückhalten zu können. Während Kohlenhydrate bereits in der Mundhöhle zerkleinert werden, findet der Eiweißabbau vor allem im Magen statt, Fette dagegen dringen am tiefsten noch relativ unverändert in uns ein, um dann vor allem durch Galle und Bauchspeicheldrüsen-Enzyme zersetzt zu werden. Aus der zerkleinerten Außenwelt schöpfen wir Kraft, eigene Leiblichkeit aufzubauen, um den Leib zunehmend individualisiert zum Instrument der Seele werden zu lassen.

Eng verwoben mit dem Verdauungs- ist das Atmungssystem. Die Lunge ist embryologisch gesehen eine Aussprossung des Vorderdarms. Auch physiologisch und biochemisch interagieren beide Grenzflächenorgane eng miteinander: die durch die Verdauung zerkleinerten Nahrungsbestandteile (Kohlenhydrate, Eiweiße, Fette) werden als Acetyl-CoA in den Zitronensäurezyklus eingeschleust. Um das dort entstehende CO2 abatmen und die freiwerdenden H+-Ionen durch O2-Aufnahme in die Energiegewinnung einbetten zu können, braucht das Verdauungs– das Atmungssystem. Beide Organsysteme sind wie zwei Seiten einer Medaille. Sie helfen uns auf der einen Seite während des Lebens den Leib zu ergreifen (Embodiment), darüber hinaus durch ihre Natur als Grenzflächenorgane uns mit der Außenwelt zu verbinden. Umso wichtiger ist für eine anhaltende Gesundheit die Pflege, der Erhalt und letztlich die Gesundung unserer Umgebung, der Luft, die uns umgibt, der Erde, der wir unsere Nahrung verdanken. Damit wird Landwirtschaft ein Bestandteil einer ganzheitlich verstandenen Medizin, das Mikrobiom zum Spiegelbild vom Makrobiom (und umgekehrt). Die Interdependenz zwischen Verdauungs- und Atmungssystem zeigt sich auch im Rahmen akuter Erkrankungen. So erkennt man klinisch den überwundenen Nadir einer Pneumonie z. T. daran, dass der Patient wieder Appetit bekommt und Nahrung verstoffwechseln kann. Die Dependenz wird aber auch gegen Ende des Lebens deutlich, schließlich kann sich der Schwellenübertritt im Rahmen der leiblichen Todesprozesse dadurch andeuten, dass Patienten die Nahrungsaufnahme zunehmend verweigern. Wird sie ganz eingestellt, verändert sich zunehmend das Atemmuster bis zum letzten Atemzug als Ausdruck des »Ex-bodiments«, des transzendierten Stoff-Wechsels, des Übergangs vom Mikro- in den Makrokosmos.

Wir freuen uns Sie zu einer Tagung einladen zu können, in der wir uns u. a. den Themenbereichen Ernährung, Nahrungsmittelunverträglichkeiten, Stoffwechsel, Landwirtschaft, Atmung, Embodiment und ganzheitlich verstandene Gesundung zuwenden wollen. Am Samstagabend wird es kabarettistisch um den Sinn des Lebens gehen sowie um was man sich sonst noch neben richtigen Nachtischnamen und Eierkochzeiten so alles im Miteinander kümmern muss.

In diesem Sinne grüße ich Sie herzlich im Namen des Vorbereitungskreises und freue mich auf Ihr Kommen.

Dr. Jan Vagedes